Hot Yoga – wie viel Hitze ist gesund?

90 Minuten. 40 Grad Celsius. 26 Übungen aus dem Hatha Yoga. Das sind die Zutaten des umstrittenen Hot oder Bikram Yoga. Ein Erfahrungsbericht.

Iyengar, Ashtanga, Vinyasa, Kundalini, Anti-Gravity, Yin, – die Liste der Yoga-Stile ist lang und jeder hat seine ganz besondere Faszination. Aber was unterscheidet Hot bzw. Bikram Yoga von anderen Formen? Von den Einen in den Himmel gelobt, von den Anderen verteufelt, scheiden sich an diesem Yoga-Stil die Geister so stark wie an keinem anderen. Nach gut zehn Jahren, in denen ich Hot Yoga und andere Yoga-Arten trainiert habe, hier ein (nicht unkritischer) Erfahrungsbericht und einige Tipps zum Einstieg.

Mein erstes Mal

Nach 30 Minuten hielt ich die Hitze endgültig nicht mehr aus und musste mich auf den Boden setzen. Ich betrachtete mein schweißüberströmtes Gesicht im bodenlangen Spiegel und beneidete insgeheim die junge Dame neben mir, die scheinbar mühelos eine Haltung nach der anderen einnahm, die uns von unserer Yogalehrerin angesagt wurde.

„The hottest Yoga in town“ lautete damals noch der Slogan des Bikram-Yogastudios in Hamburg Altona. Und das war nicht zu viel versprochen.

Als ich mich am Ende aus dem Hot-Yoga-Raum schleppte und dankbar eine Tasse Tee und ein Stück Melone vom Teller mit dem kostenlosen Obst nahm, zweifelte ich insgeheim stark daran, ob ich noch einmal wieder kommen würde.

Das ist nun über zehn Jahre her – und ich bin noch sehr, sehr oft zum Bikram Yoga gegangen.

Aber was macht die Faszination des Hot Yogas aus? Welche Vorteile hat es? Und gibt es Risiken?

Was ist Hot Yoga?

Hot Yoga – das sind 26 verschiedene Körper- und zwei Atemübungen aus dem klassischen Hatha-Yoga in 90 Minuten. Und das Ganze in einem Raum, der mindestens 40 Grad heiß ist.

Erfunden und in den Westen gebracht hat diese Form des Yogas der 1944 in Kalkutta geborene Lehrer Bikram Choudhury. Inzwischen gibt es Hot Yoga in fast allen größeren deutschen Städten, wie zum Beispiel Berlin, Hamburg, Frankfurt oder München.

Auf seiner Internet-Seite zeigt Bikram Fotos der 26 Übungen, die den meisten Yogis auch schon in anderen Stilen in vielleicht etwas anderer Form begegnet sein dürften, zum Beispiel die Kobra (Bhujangasana) oder die Totenstellung (Savasana). Diese Übungen werden in der immer gleichen Reihenfolge unterrichtet. Es gibt noch eine Serie für Fortgeschrittene. Von dieser ist aber nur sehr wenig bekannt und der normale Yoga-Schüler wird ihr wenn überhaupt nur selten begegnen.

Ein wichtiger Unterschied zu anderen Yoga-Stilen neben der hohen Raumtemperatur und dem fixen Übungsablauf: der Lehrer demonstriert die Übungen nicht selbst, sondern sagt sie an und korrigiert die Schüler bei der Ausführung. Er oder sie spricht dabei mehr oder weniger ununterbrochen, was am Anfang sehr gewöhnungsbedürftig sein kann. Sinn ist, dass der Schüler ständig Anweisungen bekommt, wie er die Haltung optimal einnimmt. Außerdem wird er davon abgehalten mit seinen Gedanken abzuschweifen.

Die komplette Wand des Studios ist verspiegelt, so dass man seine Haltung überprüfen und verbessern kann. Das Sehen des eigenen Körpers kann die Meditation außerdem vertiefen.

Bikram – umstrittener Guru

Bikram hat in der Yoga-Community allerdings nicht nur begeisterte Anhänger. Das hat im Wesentlichen drei Gründen:

  • Bikrams – vorsichtig gesagt – selbstbewusstes Auftreten schafft ihm nicht nur Freunde. Eine Kostprobe von seiner Homepage: Bikram has shown the light of healthy life to millions of people around the world. Bikram is the most respected living Yoga Guru in the world.
  • Übersetzt heißt das ungefähr: Bikram hat Millionen Menschen auf der ganzen Welt mit dem Licht einer gesunden Lebensweise erleuchtet. Bikram ist der weltweit am meisten respektierte Yoga Guru. Klar, dass Anhänger anderer Yoga-Stile das als Provokation empfinden.
  • Bikram hat versucht, sich sein Yoga-System rechtlich schützen zu lassen und betreibt ein strenges Franchise-System. Viele Yogalehrer argumentieren dagegen, dass Hatha-Yoga seit tausenden von Jahren existiert und sich nicht patentieren lässt. Sie unterrichten daher häufig mit leichten Abwandlungen, wie zum Beispiel einer vertauschten Reihenfolge einiger Übungen und nutzen die Marke „Bikram“ nicht.

2016 verlor Bikram einen Rechtsstreit und wurde wegen sexueller Belästigung verurteilt. Sein persönliches Image wie sein Vermögen, mit dem er gern prahlte, haben darunter massiv gelitten.

Positive Effekte

Unabhängig davon, was man von Bikram als Person hält, ist für den Schüler letztlich die Frage wichtiger, welche positive Wirkung Hot Yoga hat.

Zu den positiven wissenschaftlich zumindest einigermaßen abgesicherten Effekten (hier eine Studie) zählen:

  • Kraftzuwachs
  • Zunahme der Beweglichkeit und des Gleichgewichtsgefühls
  • Gewichtsabnahme, Verbesserung der Blutzucker- und Blutfettwerte
  • Höhere Achtsamkeit und Verbesserung beim Stresserleben

Darüber hinaus gibt es noch eine ganze Menge Behauptungen über positive Effekte aus der Hot-Yoga-Anhängerschaft, die wissenschaftlich entweder nicht zu halten oder nicht ausreichend untersucht sind, zum Beispiel:

  • Entgiftung durch Schwitzen
  • Verbessertes Hautbild
  • Bessere Atmung

Last not least finden sich noch eine Menge „Wunder“-Geschichten von einzelnen Schülern und Lehrern, die ich persönlich mit etwas Vorsicht genießen würde.

Risiken

An erster Stelle der Risiken ist beim Hot Yoga die Hitze zu nennen, die bei der hohen körperlichen Anstrengung zu Problemen wie Kreislaufversagen oder Hitzschlag führen kann. Der Wasserverlust während der Stunde ist hoch, Flüssigkeitsaufnahme nach dem Unterricht ein absolutes Muss.

Die Hitze birgt außerdem die Gefahr, dass sich der Übende schon aufgewärmter fühlt, als er oder sie eigentlich schon ist. Werden dann die Übungen besonders kraftvoll ausgeführt, kann das zu Verletzungen führen.

Ein weiteres Problem ist der Ehrgeiz vieler Schüler, der dazu führen kann, dass es zu Überanstrengung und Verletzungen kommt. Das ist aber nicht unbedingt die Schuld des Hot Yogas, weisen doch die Lehrer immer wieder darauf hin, dass man auch Pausen machen kann und sich gerade am Anfang nicht übernehmen sollte. Diese Hinweise werden aber von den Schülern gerne überhört.

Auch sind Verletzungen im Yoga grundsätzlich nicht so selten (ein interessanter Artikel aus der New York Times hier), wie man vielleicht annimmt. Das eigene Ego oder das eines besonders ehrgeizigen Lehrers sind die größte Gefahr. Das gilt nicht nur für Hot Yoga.

In diesem Zusammenhang waren für mich auch die Gruppengrößen gewöhnungsbedürftig. Bei manchmal mehr als 30 Schülern in einer Klasse ist individueller Unterricht kaum noch machbar. Umso wichtiger ist es, seine Bewegungen im Spiegel genau zu kontrollieren und den Anweisungen des Yogalehrers genau zu folgen. Entsprechend ist es auch hilfreich, zumindest etwas Vorerfahrung im Yoga zu haben.

Mein persönliches Fazit

Generell macht mir Hot Yoga immer noch großen Spaß und es mir hat es körperlich wie seelisch auf jeden Fall gut getan. Das Training ist fordernd, aber danach fühle ich mich angenehm erschöpft, zufrieden und entspannt. Die oben genannten Effekte kann ich weitgehend bestätigen.

Was mir weniger gut gefällt, sind die zum Teil extrem großen Gruppen. Ein individuelles Lehrer-Schüler-Verhältnis bildet sich eher nicht, auch wenn die meisten Lehrer, die ich kennen lernen durfte, sehr freundlich und hilfsbereit sind.

Ein weiterer Punkt, der mich auch nach mehreren Jahren immer noch stört: bei den meisten Yoga-Stilen, die ich kennen gelernt habe, spielt die Entspannung am Ende der Stunde eine große Rolle. In der „Totenstellung“ (Savasana) soll eine Tiefenentspannung erreicht werden, der man im Yoga eine große Bedeutung beimisst.

Im Hot Yoga klappt das praktisch nie. Der Lehrer verlässt vor den Schülern die Klasse. Danach entsteht meistens mehr oder weniger große Unruhe im Raum, Matten werden zusammengerollt, Türen gehen auf und zu usw. Auch wenn während der Yogastunde ein zweiminütiges Savasana gehalten und zwischen den liegenden Übungen jeweils einige Sekunden in der Totenstellung gelegen wird, fehlt mir persönlich doch „das kleine Nirvana“ am Ende der Stunde.

Kann man Hot Yoga Anfängern nun empfehlen? Mit gewissen Einschränkungen ja. Ich rate:

  • Bei Vorerkrankungen, vor allem im Bereich der Gelenke, des Rückens, der Knie, oder des Herzkreislauf-Systems, sollte man vorher einen Arzt aufsuchen.
  • Starkes Übergewicht und Hitze können eine gefährliche Kombination sein. Eventuell ist es sinnvoll mit einem etwas weniger fordernden Yoga-Stil einzusteigen und diesen mit Fitness-Training zu kombinieren, bevor man zu Hot Yoga wechselt.
  • Jeder Yoga-Anfänger sollte zu Beginn nicht zu fest aufs Gas treten. Häufig hört man während des Trainings nur die Ansagen, die den Schüler motivieren noch ein Stückchen weiter in die Position zu kommen. Die anderen Hinweise, beispielsweise weniger tief in eine Haltung zu gehen, wenn einem die Luft wegbleibt, werden dagegen gerne ausgeblendet.
  • Die Trainer stehen meistens nach der Klasse für Fragen zur Verfügung. Gerade als Anfänger sollte man diese Chance unbedingt wahrnehmen. Verursacht eine Übung zum Beispiel Schmerzen, kann das möglicherweise an einem Fehler liegen, der sich leicht korrigieren lässt.
  • In vielen Studios gibt es folgendes Angebot: für zehn bis 20 Euro kann man an 10 aufeinander folgenden Tagen trainieren. Ein preiswerter Weg um herauszufinden, ob Hot Yoga die richtige Wahl für die eigene Praxis ist.

Allen, die jetzt auf den Geschmack gekommen sind, wünsche ich frohes Schwitzen beim Hot Yoga! Ich freue mich auf Fragen und Kommentare zu diesem Artikel.

Yoga Handtuch (Reisehandtuch) aus Microphaser, Orange / Hellblau, sehr leicht und besonders schnelltrocknend

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